4.1 Gesundheit von Schüler*innen

Hinweis

Die Kapitel enthalten Kommentare und Exkurse sowie Übungsaufgaben und Fragen zur Prüfungsvorbereitung.

  • Mithilfe der Kommentare erläutern wir Ihnen die Fachinhalte und beziehen diese auf die Schulpraxis.
  • Die Exkurse bieten wir Ihnen als optionale Vertiefung an.
  • Die Übungsaufgaben bestehen aus unterschiedlichen Formaten: z. B. Single-Choice-Fragen, Zuordnungsaufgaben, Fallbeispiele, etc. Mit den Übungsaufgaben fokussieren wir auf zentrale Inhalte, um diese besser erarbeiten zu können.
  • Die Fragen zur Prüfungsvorbereitungen helfen Ihnen, um die zentralen Inhalte für die Prüfung vorzubereiten.

Prävalenz von Schulstress

Wie es um die gesundheitliche Lage von Kindern und Jugendlichen in Deutschland bestellt ist wird in Kapitel X (Wellbeing von Kindern) genauer ausgeführt. An dieser Stelle im Online-Modul soll es vielmehr darum gehen, wie die Schule selbst zum Auslöser von gesundheitlichen Einschränkungen wird. Denn Erkrankungen können nicht nur außerhalb, sondern auch innerhalb der Schule entstehen (oder verstärkt werden). Eine bundesweite Forsa-Umfrage (N = 526) im Auftrag des Nachhilfeportals Studienkreis aus dem Jahr 2020 beschäftigte sich mit dem schulischen Stresserleben von Kindern und Jugendlichen im Alter von 12-18 Jahren (Studienkreis, 2020). Die Ergebnisse der Studie zeigten, dass sich etwa drei von vier Schüler*innen (72 %) an mindestens einem Tag pro Woche wegen der Schule gestresst fühlen (Studienkreis, 2020). Für ein*e von vier Schüler*innen gilt dies sogar für mehr als drei Tage pro Woche. Das Stresserleben unterscheidet sich dabei etwas zwischen den Geschlechtern: Mädchen fühlen sich mit einem Anteil von 79 % häufiger gestresst als Jungen (66 %). Bei der Umfrage wurde auch erfragt, welche Gründe die Heranwachsenden für ihren Schulstress sehen. Die häufigsten Gründe sind in der folgenden Tabelle abgebildet: 

Tabelle: Gründe für Schulstress nach Studienkreis (2020)

Gründe für Schulstress (Mehrfachnennung möglich)Anteil 
Eigener Anspruch63 % 
Hausaufgaben 46 % 
Angst vor Noten 45 % 
Druck von Lehrkräften 34 % 
Druck von Eltern 21 % 

Interessanterweise handelt es sich bei den am häufigsten genannten Grund, hohen eigenen (Leistungs-)Ansprüchen, nicht um einen äußeren, sondern um einen internen Stressfaktor. Mit dem SAR-Modell würde man hier also von einer internen Anforderung sprechen. Ungefähr zwei von drei Kindern geben diese als eine Ursache von Schulstress an. Fast die Hälfte der Jugendlichen verspürt überdies Ängste in Bezug auf Notenbewertungen. Jugendliche legen also hohe Maßstäbe an sich an und setzen sich damit häufig selbst unter Druck. Auch dies gilt für Mädchen noch häufiger als für Jungen. Eine der befragten Schüler*innen in der Studie drückte es so aus: 

„Ich lerne viel und habe trotzdem ein schlechtes Gewissen, wenn ich eine nicht so gute Note in einer Klausur schreibe.“


Kommentar

Leistungsdruck betrifft nicht nur leistungsschwächere Schüler*innen, bei denen bspw. Ängste um die Versetzung bestehen. Er tritt ebenso bei sehr guten Schüler*innen auf, die „nur durchschnittliche“ Leistungen unbedingt vermeiden wollen. Obschon eigene Leistungsansprüche oder Benotungsängste innerhalb der Schüler*innen entstehen, spiegeln sie gleichzeitig auch oft Vorstellungen der Gesellschaft oder Erwartungen wichtiger Bezugspersonen . Die Erwartungen wurden von den Heranwachsenden, bewusst oder unbewusst, internalisiert (also: verinnerlicht) und als eigene Vorstellungen übernommen. In dem Fall können äußere Anforderungen also auch zu inneren Anforderungen werden.

Weitere häufig genannte Stressoren für Jugendliche sind die Lernbelastung durch Hausaufgaben (46 %) sowie hohe Ansprüche bzw. direkt erlebter Leistungsdruck durch Lehrkräfte (für jede*n dritte* Schüler*in) oder Eltern (für jede*n fünfte*n Schüler*in). Hier spielen auch Nachwirkungen der COVID-19-Pandemie eine Rolle: Viele Schüler*innen berichten von dem Druck, „in der Pandemie Versäumtes nachzuholen, das Schuljahr mit guten Noten abzuschließen, einen Abschluss zu schaffen, der eine solide berufliche Zukunft ermöglicht“ (KKH, 2023). Im Jahr 2022 ist der Anteil derjenigen, die äußeren Leistungsdruck als einen Grund für starke psychische Belastungen angaben, auf mehr als zwei Drittel gestiegen. Aus anderen Studien ist zudem bekannt, dass auch zwischenmenschliche Probleme mit Mitschüler*innen und/oder Lehrkräften häufig genannte Gründe für schulischen Stress darstellen (Hanewinkel et al., 2022). Einen Extremfall für soziale Konflikte innerhalb der Schule mit besonders schädlichen Auswirkungen auf die Gesundheit stellen Mobbingerfahrungen dar. 

Auswirkungen von Schulstress und einer schlechten Schüler*innen-Gesundheit: 

Schulstress kann mit verschiedenen negativen Entwicklungen einhergehen, die sich sowohl auf den schulischen Kontext als auch auf weitere Lebensbereiche beziehen können. Zu den potenziellen Auswirkungen zählen u. a. (siehe dazu: Prediger, 2022): 

  • eine verringerte Fähigkeit zur Erledigung von Schulaufgaben
  • internalisierende und externalisierende Verhaltensprobleme 
  • ein verringertes subjektives Wohlbefinden
  • die Wahrnehmung einer verminderten Lebensqualität
  • Kopf- und Bauchschmerzen
  • Erschöpfung
  • Unruhe & Gereiztheit 
  • ein erhöhtes Risiko für die Entwicklung von Angststörungen und Depressionen

Untersuchungen der WHO zeigen, dass Schulstress unter Schüler*innen in 44 Ländern in Europa, Zentralasien und Kanada in den letzten Jahren sogar noch zugenommen hat. Im Vergleich zu 2018 berichten sie 2021/2022 signifikant häufiger von Schulstress. Gleichzeitig hat sich die soziale Unterstützung durch Familie und Freunde, die wir im SAR-Modell nach Becker als eine wichtige externe Ressource festgehalten haben, merklich verringert (WHO, 2024). Schulstress ist also ein hochaktuelles Thema und bringt relevante negative Auswirkungen auf die Gesundheit und Wohlbefinden von Schüler*innen mit sich. 

Kommentar

Denken Sie einmal nach: Wie ließe sich Schulstress von Kindern und Jugendlichen verringern? Was könnten Maßnahmen sein, die an die oben genannten zentralen Gründe für Schulstress anschließen? 

Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) greift dieses Thema ebenfalls auf und hat dazu folgende Empfehlungen an Schulen formuliert (WHO, 2024): 

„Um das Wohlbefinden von Jugendlichen zu verbessern, werden folgende Maßnahmen empfohlen: […]

Maßnahmen gegen den schulischen Druck: Schulen müssen der steigenden Stressbelastung durch systematische Ansätze begegnen, indem sie ausgewogene Hausaufgabenregelungen einführen, Lernfähigkeiten fördernregelmäßige Sprechstunden für Schüler bei Lehrern einplanen und außerdem sicherstellen, dass Lehrer darin geschult werden, Anzeichen von schulischem Stress zu erkennen, insbesondere bei Mädchen, und darauf zu reagieren.“

Schaffung inklusiver schulischer Umfelder: Schulen müssen das Wohlergehen der Schüler durch konkrete Maßnahmen in den Vordergrund stellen: durch Verkleinerung von KlassenEinführung von Betreuungsprogrammen und die Integration von sozial-emotionalem Lernen in den Lehrplan. Bei der Lehrerausbildung sollte Wert auf die Förderung der psychischen Gesundheit der Schüler gelegt werden, mit einem Schwerpunkt auf der Schaffung sicherer Räume, in denen sich die Schüler wahrgenommen und gehört fühlen.

Neben den Folgen von Schulstress gab es in der Vergangenheit auch Untersuchungen dazu, inwieweit gesundheitliche Einschränkungen von Kindern wieder auf ihr Verhalten im Schulalltag zurückwirken. Eine Metaanalyse von Dadaczynski (2012) konnte feststellen, dass Übergewicht, Adipositas, mangelnde körperliche Aktivität und psychische Probleme mit folgenden Parametern in einem Zusammenhang stehen:

  • Schlechtere Schulleistungen (Schulnoten) 
  • Geringere Schulanwesenheit 
  • Selteneres Erreichen eines Schulabschlusses 
  • Seltenere Aufnahme und Abschluss eines Studiums

Insgesamt lässt sich anhand der Studienlage festhalten, dass das kognitive Leistungspotenzial von erkrankten Schüler*innen im Durchschnitt geringer ist. Sie werden in ihrem Lernen behindert. Zudem kann auch ihre soziale Integration in die Klassengemeinschaft beeinträchtigt sein. Sie haben mehr Fehltage, verpassen möglicherweise wichtige Klassenaktivitäten und sind weniger offen und kontaktfreudig, insbesondere bei psychischen Erkrankungen. Das wiederum steht ebenfalls in Zusammenhang mit schlechteren Schulleistungen und einem verringerten Wohlbefinden. Dies verdeutlicht noch einmal die Bedeutung von Gesundheitsförderungsangeboten für Schüler*innen: Denn sie adressieren sowohl das körperliche, psychische und soziale Wohlbefinden der jungen Menschen als auch ihre Chancen, ihr Entwicklungspotenzial im Bildungsbereich besser auszuschöpfen.

Exkurs: DUDE – Ein Programm für Schüler*innen zur besseren Emotionssteuerung

Ein Praxisbeispiel für ein schulisches Programm zur Gesundheitsförderung ist das Programm „DUDE – Du und deine Emotionen“ der Kaufmännischen Krankenkasse (KKH) und dem Universitätsklinikum Würzburg. Es richtet sich an Schüler*innen der sechsten und siebten Klasse (11-13-Jährige), ist kostenfrei und wissenschaftlich fundiert. Das Ziel ist es, Schüler*innen einen besseren Umgang mit ihren Gefühlen zu ermöglichen. Dies wird auch als Emotionsregulation bezeichnet. An diesem Punkt setzt DUDE an, indem Kindern mithilfe von interaktiven Übungen praktische Strategien vermittelt werden, wie sich Stress und negative Gefühle besser steuern lassen. Ein Fokus liegt hier auf Spaß und einer spielerischen, erlebnisorientierten Vermittlung. Dazu werden innerhalb des Regelunterrichts fünf Doppelstunden in einem wöchentlichen Rhythmus aufgewendet, die mit kurzen Übungsaufgaben im Alltag ergänzt werden. Auf diese Weise sollen die Schüler*innen motiviert werden, die erlernten Kompetenzen auf ihren eigenen Lebensalltag zu übertragen.

Link: https://www.kkh.de/leistungen/praevention-vorsorge/gesundheitsfoerderung-setting/dude

Exkurs: Programm „Bewegte Schule in Niedersachsen“

Ein weiterer Ansatz, um Schulstress zu begegnen und die Gesundheit von Schüler*innen zu stärken, ist es, Anreize zu mehr Bewegung zu schaffen. Bewegung ist nicht nur für die individuelle Entwicklung von Kindern und Jugendlichen förderlich, sondern auch für ihr Lernen. Körperliche Aktivität führt zur Ausschüttung von Glückshormonen und steigert das allgemeine Wohlbefinden, was eine Grundvoraussetzung für effektives Lernen darstellt. Zudem regt sie hormonelle und neuronale Prozesse im Körper an, welche sich positiv auf die Konzentration und die Lernleistung auswirken. Vor diesem Hintergrund hat das niedersächsische Kultusministerium ein Programm ins Leben gerufen, das für mehr Bewegung im Unterricht sowie im Schulalltag im Allgemeinen sorgen soll. Zu dem Programm zählen z. B.: 

  • Eine Gestaltung des Pausenhofs, der zur Bewegung anregt und als selbstbestimmter Lernraum fungiert (z. B. Umgang mit Risiko- und Wagnissituationen)
  • Bewegungsanreize im Unterricht (z. B. andere Arbeitsformen, Wechsel der Unterrichtsorte, Bewegungspausen, Einsatz von Gestik, Mimik und Körpersprache, Sitzhaltungen)
  • Gestaltung von Innenräumen (z. B. Ergonomie, Rauminseln für Ruhe und Bewegung)
  • Einbindung von Spielen und Entspannungsübungen

Link: https://www.bewegteschule.de/

Fragen zur Prüfungsvorbereitung:

  • Welche zentralen Gründe für den Schulstress nennen Heranwachsende? 
  • Welche Folgen kann (anhaltender) Schulstress bei Kindern und Jugendlichen haben?
  • Worauf wirkt sich eine schlechte Gesundheit bei Schüler*innen aus?

Literatur

Dadaczynski, K. (2012). Stand der Forschung zum Zusammenhang von Gesundheit und Bildung: Überblick und Implikationen für die schulische Gesundheitsförderung. Zeitschrift für Gesundheitspsychologie, 20(3), 141–153. https://doi.org/10.1026/0943-8149/a000072

Hanewinkel, R., Hansen, J., & Neumann, C. (2022). DAK-Präventionsradar. Kinder- und Jugendgesundheit in Schulen. Erhebung Schuljahr 21/22. IFT-Nord.

KKH (Kaufmännische Krankenkasse) (2023). Wenn psychischer Druck den Nachwuchs krank macht. Angststörungen, Depressionen & Co. nehmen deutlich zu – Neues Präventionsprojekt senkt suizidales Verhaltenhttps://www.kkh.de/presse/pressemeldungen/pkpsycheschueler (Abgerufen am 01.08.2024)

Prediger, S. (2022). Schulstress – Ein zusätzliches Entwicklungsrisiko für Schüler*innen mit Lernschwierigkeiten? Postdamer Zentrum für empirische Inklusionsforschung, Nr. 6. https://www.uni-potsdam.de/fileadmin/projects/inklusion/PDFs/ZEIF-Blog/Prediger_2022_Schulstress.pdf (Datum des Zugriffs: 10.07.2024)

Studienkreis (2020). Deutschlands Schüler unter Druck: Hilferuf an die Eltern. https://www.studienkreis.de/unternehmen/presse/pressemitteilungen/pressemitteilungen-2020/schulstress/ (Datum des Zugriffs: 10.07.2024)

WHO (2024). Neuer Bericht von WHO/Europa verdeutlicht zunehmenden Druck in der Schule und abnehmende Unterstützung durch die Familie, insbesondere für Mädchen. Eine richtungsweisende Studie mit fast 280 000 jungen Menschen zeigt besorgniserregende Trends beim Wohlbefinden von Jugendlichen in 44 Ländern auf. https://www.who.int/europe/de/news/item/13-11-2024-rising-school-pressure-and-declining-family-support-especially-among-girls–finds-new-who-europe-report (Datum des Zugriffs: 14.02.2025)

Nach oben scrollen